Der Buddhismus ist voll von Geschichten, die Buddhas Lehren beispielhaft erklären. Die buddhistischen Parabeln sind aber keine Gute-Nacht-Geschichten, sondern Erzählungen, die den Leser dazu anregen sollen, über ein Thema nachzudenken, neue Erkenntnisse zu gewissen und Weisheit zu entwickeln. Denn sie sprechen die universellen Lebensumstände an, die wir als Menschen gemein haben.

Die Symbolik in Buddhas Parabel

Zunächst müssen wir die bildliche Sprache erklären.

Die Tiger symbolisieren in Buddhas Parabel den Tod. Wir werden geboren und eines schönen Tages müssen wir sterben. Es ist unser aller Schicksal. Es gibt keine Möglichkeit an den Anfang zurückzukehren und es gibt keine Möglichkeit dem Ende zu entkommen. Der Tod ist uns gewiss. So ist es auch bei dem Mann in Buddhas Parabel.

Und was ist mit den kleinen Mäusen? Sie symbolisieren die Zeit. Die Zeit vergeht unaufhörlich. Das Wechselspiel aus positiven (weiße Maus) und negativen Geschehnissen (schwarze Maus) reißt nie ab und es gibt immer beides im Leben. Und egal was passiert, die Zeit bleibt nie stehen und nagt an unserer Lebenskraft. Eines Tages werden die Mäuse die Wurzel des Weinstocks zernagt haben. Aber wir wissen nicht wann das sein wird…

Und dann wäre da noch die Erdbeere. Die Erdbeere repräsentiert jegliches Vergnügen im Leben. Jeden einzelnen Bissen der Existenz, der uns mit Vergnügen erfüllt und dem Leben Süße verleiht.

Was können wir von dieser Parabel für unser eigenes Leben lernen? Denn schließlich hat Buddha sie ja nicht nur zum Spaß erzählt.

Die buddhistische Psychologie betont das Hier und Jetzt

Die beliebteste Interpretation von Buddhas Geschichte ist wohl die, dass darauf ankommt, im aktuellen Moment zu leben. Egal welche Tiger uns jagen, wir haben immer den aktuellen Moment, in dem wir das Leben genießen können. Selbst wenn es „nur“ der nächste Atemzug ist oder das Kosten einer Erdbeere.

Anders als in der westlichen Psychologie, beschäftigen wir uns in der buddhistischen Psychologie viel mit dem der Endlichkeit unseres Lebens und dem Sinn, den wir unserem Leben geben. Das Leben hat ein Ende, ob wir wollen oder nicht, die Zeit vergeht unaufhörlich, wir wissen nie, wann es vorbei ist und sollten daher die ganzen kleinen Momente bewusst leben. Wenn wir die Heiligkeit des gegenwärtigen Augenblicks anerkennen, werden wir in der Lage sein, das Leben als ein Wunder zu betrachten und dankbar für jede Erfahrung zu sein – sei sie angenehm oder unangenehm.

Wenn wir also zwischen Geburt und Tod hängen und doch wissen, dass wir eines Tages sterben müssen, sollten wir dann nicht das Lebens genießen? Würde Sie die Erdbeere kosten, wenn Sie am Abgrund hängen würden? Wenn Sie wüssten, dass heute Ihr letzter Tag auf Erden wäre, würden Sie die Erdbeere essen oder sich Sorgen um den Tiger machen?

Diese Auslegung der Parabel ist schön und meiner Meinung nach auch genau deshalb so beliebt. Aber schauen wir uns das ganze doch noch aus einer weiteren Perspektive der buddhistischen Psychologie an.

Ablenkung ist eine Quelle unseres Leidens

Interpretation Tiger ParabelIch sage immer Buddha war der erste Psychotherapeut, denn er wollte allen fühlenden Wesen dabei helfen, ihr Leid zu beenden. Macht ein Psychologe etwas anderes?

Den Weg zur Befreiung aus allem Leid hatte Buddha im Rahmen der Vier Edlen Wahrheiten beschrieben. Die Vier Edlen Wahrheiten sind eine der zentralsten Lehren im Buddhismus und auch für die buddhistische Psychologie von großer Bedeutung. Denn hier wird beschrieben, wo unser Leiden, unsere Unzufriedenheit und unser Kummer herkommen. Und eine der Quellen ist unser ständiges Verlangen nach angenehmen Dingen. (Eine weitere Quelle ist die Vergänglichkeit – lesen Sie hier mehr dazu.)

Wenn wir die Parabel also anders auslegen, dass bedeutet es, dass der Mann an der Weinrebe sich wie ein Narr verhält. Anstatt seine Situation zu lösen und einen Weg Richtung Befreiung zu gehen, lenkt er sich lieber mit einem kurzfristigen Vergnügen ab. Denn sind wir mal ehrlich, ja, die Erdbeere ist wohl süß und schmeckt gut, aber nach 1 Minute ist der Geschmack im Mund verflogen, die Mäuse nagen weiter an der Rebe und die Tiger warten immer noch. Aber vielleicht findet er ja noch eine Erdbeere? Und damit würde er sich in einem niemals endenden Kreislauf aus Verlangen – kurzfristigem Vergnügen – neuem Verlangen befinden und sich von dem ablenken, was eigentlich zu tun ist.

Ist das vielleicht ein Verhalten, dass Sie manchmal auch von sich kennen? Statt sich etwas Unangenehmem auszusetzen, verschieben Sie vielleicht ab und an auch lieber auf morgen. Das mag manchmal bei uns allen der Fall sein, aber im Fall von Buddhas Geschichte, geht es um Leben und Tod. Es ist töricht, sich mit der Erdbeere zu beschäftigen, so zu tun, als würden die Tiger nicht existieren und als würde die Zeit nicht drängen.

Wenn wir die Parabel so interpretieren, dann will uns Buddha daran erinnern, die Erdbeere eben nicht zu essen.

Buddha und der Mittlere Weg

Weil ich nicht dabei war, als Buddha die Geschichte erzählte, kann ich Ihnen natürlich nicht sagen, welche die richtige Interpretation ist.

Es ist nicht wirklich eine Eigenschaft der buddhistischen Psychologie Antworten zu geben, sondern vielmehr Fragen zu stellen. Und diese Fragen müssen Sie sich auch selbst stellen.

Aber einen Rat kann ich Ihnen geben: Buddha lehrte seine Anhänger den Mittleren Weg – ein philosophisches und praktisches Konzept des Buddhismus. In seiner einfachsten und pragmatischsten Bedeutung rät uns der Mittlere Weg, Extreme zu vermeiden und die moderate Mitte zu wählen. Warum sich also entscheiden müssen zwischen beiden Interpretationen? Warum nicht beide akzeptieren und die goldene Mitte wählen?

Denn manchmal ist es ja auch ganz schön, bewusst eine Erdbeere zu genießen…

Ich stelle mich vor

Psychologische Onlineberatung Psychotherapie

Mein Name ist Carolin Müller, ich bin Diplom-Psychologin, Buddhistische Therapeutin und Onlinepsychologin. Mit meinen Klienten spreche ich via VideoAnruf über Depressionen, Sorgen, Ängste und Selbstwertzweifel.

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